Methoden einer Computational Theology:
Computationelle Analysen
von Strukturen und Relationen


Ulrike Henny-Krahmer (Universität Rostock)

Computational Theology. Methoden - Praktiken - Perspektiven
14.-15.9.23
Universität Heidelberg




Übersicht

  1. Intertextualität
  2. Netzwerkanalyse
  3. Stilistische Analyse
  4. Räumliche Analyse - Literarische Geographie
  5. Digitale Edition
  6. Fragen und Diskussion

Intertextualität

Intertextualität

"Der Begriff der Intertextualität bezeichnet die Beziehungen, Funktionen und Wirkungen, welche zwischen zwei oder mehr Texten entstehen, indem die Texte in Zitaten, Anspielungen oder durch strukturelle Parallelen aufeinander verweisen." (Nantke)

Intertextualität

  • Ursprung in der neuphilologischen Literaturwissenschaft: 1960er/1970er-Jahre, Julia Kristeva, Roland Barthes
  • Relevanz intertextualler Referenzen: reicht bis in die Antike zurück (historische Praktiken)

Intertextualität mit digitalen Methoden

  • Rekonzeptualisierung des Phänomens
  • methodologisch: Vergleich von Texteigenschaften
  • numerische Werte, messbare Merkmalsausprägungen, Textoberfläche

Ansätze digitaler Intertextualitätsforschung

  1. Manuelle digitale Modellierung intertextueller Beziehungen
  2. Computationelle Analysen von Text Reuse
  3. Automatisierte Detektion semantischer Textähnlichkeiten

Beispiele

Beispiel Intertextual Hub

Netzwerkanalyse

Netzwerkanalyse

"Network thinking is poised to invade all domains of human activity and most fields of human inquiry. It is more than another helpful perspective or tool. Networks are by their very nature the fabric of most complex systems, and nodes and links deeply infuse all strategies aimed at approaching our interlocked universe." (Barabási 2002, zitiert in Burge)

Netzwerkanalyse: "network turn"

  • Untersuchung von relationalen Objekten/Einheiten, ihrer Beziehungen und der Strukturen, die sie schaffen
  • computergestützte Netzwerkanalyse: Makroanalyse, Distant Reading
  • neue Perspektiven, Rekonzeptualisierung möglich

Netzwerkanalyse: Begriffe, Tools, Kritik

  • Knoten, Kanten, gerichtet/ungerichtet, gewichtet/nicht gewichtet
  • Tools: z.B. Gephi, Palladio, NetworkX
  • Visualisierung vs. quantitative Auswertung
  • Abstraktion

Beispiel: Personen- und Figurennetzwerke in Fernando Pessoas Publikationsplänen

Beispiel: Topics in hispanoamerikanischen historischen Romanen des 19. Jahrhunderts

Stilistische Analyse

Stilistische Analyse: Stilometrie

  • stilistischer Vergleich von Texten oder Textpassagen auf Grundlage statistischer Verteilungen (meist: häufigste Wörter)
  • Untersuchungsziele: stilistische Entwicklung/Differenzierung von einzelnen Texten, Werken, einer Epoche, usw.
  • Anwendungen: z.B. Autorschaftsattribution, Gattungsklassifikation
  • schon frühe historische Ursprünge auch vor der Digitalität

Stilometrie: Methoden und Tools

  • Distanzmaß: Burrows Delta (2002)
  • Kontrastives Maß: Craigs Zeta (2009)
  • Tools: z.B. Stylo, Pydistinto

Beispiel: Roman "Ein Kapitel für sich"
(1975, Walter Kempowski)

Beispiel: Roman "Ein Kapitel für sich"
(1975, Walter Kempowski)

Robert vs. Walter

Räumliche Analyse - Literarische Geographie

Literaturgeographie

  • vielfältige Bezugnahmen von Räumen der Fiktion auf den Realraum
  • Arten von Literaturgeographie (nach Wilkens):
    • thematic
    • deep
    • schematic

Computergestützte literarische Geographie

  • Methoden z.B. Named Entity Extraction, automatisches Geocoding, Kartierung, statistische Analyse
  • Entwicklungen (nach Wilkens):
    • Konvergenz mit benachbarten Feldern
    • größere Rolle für Populär- und Genreliteratur
    • abnehmende sprachliche Vielfalt

Beispiel: englische fiktionale Texte 1880-1940

Digitale Edition

Was ist eine wissenschaftliche Edition?

„Edition ist die erschließende Wiedergabe historischer Dokumente.“ (Sahle 2013, 138)

Was ist eine digitale Edition?

“Eine digitale Edition ist dadurch bestimmt, dass sie die allgemeinen Anforderungen an eine wissenschaftliche Edition durch die Berücksichtigung der gegenwärtigen technischen Möglichkeiten und ihrer methodischen Implikationen erfüllt. Sie folgt einem „digitalen Paradigma“.” (Sahle 2013, 148)

Kataloge digitaler Editionen

Referenzmodell Digitale Editionen

Schöch 2020, nach Rehbein und Fritze 2015

Beispiel: Tagebücher - Andreas Okopenko

Bibliografie

  • Barabási, Albert-László (2002). Linked: The New Science of Networks. New York: Penguin Group.
  • Burge, Caitlin (unveröffentlicht): "Network Analysis." In: Compendium of Computational Theology. Hrsg. von Christopher Nunn und Frederike van Oorschot.
  • Burrows, John (2002): »›Delta‹: A measure of stylistic difference and a guide to likely authorship«. In: Literary and Linguistic Computing 17/3, 267–87.
  • Craig, Hugh/Kinney, Arthur F. (2009): Shakespeare, Computers, and the Mystery of Authorship. Cambridge 2009.
  • Horstmann, Jan (2018): "Stilometrie." In: forTEXT. Literatur digital erforschen. https://fortext.net/routinen/methoden/stilometrie.
  • Nantke, Julia (unveröffentlicht): "Intertextualitätsforschung." In: Compendium of Computational Theology. Hrsg. von Christopher Nunn und Frederike van Oorschot.
  • Sahle, Patrick (2013): Digitale Editionsformen, Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Bd. 2: Befunde, Theorie und Methodik. Norderstedt: Books on Demand.
  • Stockhausen, Annette von (unveröffentlicht): "Digitale Edition." In: Compendium of Computational Theology. Hrsg. von Christopher Nunn und Frederike van Oorschot.
  • Wilkens, Matthew (unveröffentlicht): "Spatial Analysis, or The New Literary Geography." In: Compendium of Computational Theology. Hrsg. von Christopher Nunn und Frederike van Oorschot.

Fragen und Diskussion

Dokumente zum gemeinsamen Bearbeiten: